Die Frage „welcher Weg ist schöner?“ wurde mir schon oft gestellt. Wenig überraschend lässt sie sich so einfach natürlich nicht beantworten, denn beiden Wege haben ihre Vor- und Nachteile.
Camino Frances vs Camino Portugues
Die Frage ist zunächst: vergleicht man den Camino Portugues ab Lissabon (etwa 650km) mit dem Camino Frances (etwa 800km) oder redet man nur von dem Abschnitt ab Porto, der von den meisten Leuten gelaufen wird?
Wenn man den Portugues als Ganzes betrachtet, verliert er tatsächlich leider gegen den Frances. Nicht weil er per se hässlich ist, das ist er nicht, sondern weil der Frances sehr abwechslungsreich ist und der Portugues auf die Länge betrachtet gleichförmiger.
Das heisst aber nicht dass er unbedingt die schlechtere Wahl ist.
Welcher Weg für das eigene Vorhaben geeigneter ist, hängt von vielen Faktoren ab.
Wie viel Zeit habe ich?
Wer sowieso nur 2 Wochen Zeit hat, dem sei der Portugiesische Jakobsweg empfohlen.
Denn der französische Jakobsweg hat seine Highlights nicht auf den letzten Kilometern, sondern vor allem vorher.
Den Camino Portugues kann man ab Porto in zwei Wochen laufen und dabei sehr viele schöne Landschaften – oder sehr viel Meer – sehen.
Wer nur die letzten 250km des Camino Frances läuft, der verpasst die Grossartigkeit des Weges.
Das ist kein Ausschlusskriterium für den Frances, schliesslich kann man den Rest später nachholen, aber wenn es „nur“ darum geht das Pilgern an sich mal auszuprobieren und das ohne kleines Sabbatical sondern in einem normalen Urlaub, dann ist der Portugues ab Porto einfach die beste Wahl.
Wenn man aber 4-6 Wochen Zeit hat, dann stellt sich vor allem die Frage was man von dem Weg erwartet: viele neue Kontakte oder einsames durch die Landschaft wandern?
Was suche ich auf dem Jakobsweg?
Der Camino Frances ist voller. Immer.
Zwischen Juni und August sowieso, aber auch den Rest des Jahres.
Wer also im Juli loszieht, aber Einsamkeit sucht, der ist auf dem Camino Frances falsch (es sei denn es ist gerade Pandemie, aber das ist ein anderes Thema).
Natürlich ist auch der Portugues in den Sommermonaten weniger einsam, aber besonders der Abschnitt zwischen Lissabon und Porto und der Küstenweg ab der spanischen Grenze, bietet deutlich mehr Raum für stilles vor-sich-hin-pilgern.
Wer also einen Jakobsweg laufen möchte um in sich zu gehen und seine Ruhe zu haben, der ist tendenziell auf dem Portugues besser aufgehoben.
Wer vor allem Menschen aus aller Welt treffen möchte und Kontakte knüpfen, jeden Tag mit jemand anders laufen und abends in den Herbergen Leute wieder treffen, für den ist meist der Frances die bessere Wahl.
Wann laufe ich den Jakobsweg?
Besonders im Juli und August kippen Reisebusse Menschenmassen mit Tagesrucksäcken auf die letzten 100km des französischen Jakobswegs. Dabei handelt es sich vorwiegend, aber nicht nur, um junge Spanier.
Mir erklärte mal ein Spanier, dass es sich in Bewerbungen gut macht, wenn man seine Compostela beilegt und so nutzen viele junge Spanier ihren Sommerurlaub um in einer Woche die letzten 100km zu machen. Aber gerne möglichst komfortabel mit Gepäcktransport und Hoteltransfer.
Ich will das gar nicht schlecht reden, ich habe sehr nette und aufgeschlossene junge Menschen getroffen, die genau das gemacht haben, aber es sind einfach viele. Und durch Menschenmassen geschoben werden, nimmt doch ein wenig die Idylle.
Das gilt allerdings besonders für die letzten 100km. Die vorangegangenen 700 sind von diesem Phänomen weniger betroffen, auch wenn diese in den Sommermonaten deutlich voller sind.
Das liegt weniger daran dass der Sommer besonders gut geeignet ist, sondern mehr daran dass die Menschen dann Ferien haben.
Denn gerade in den heissen Monaten rate ich sehr zum Camino Portugues – der Frances hat viel weniger Schatten, die 200km lange Meseta hat teilweise überhaupt keinen.
Auf dem Portugues hingegen hat man die Wahl ob man die Hitze besser im Wald oder am Meer erträgt.
Wie viel will ich ausgeben?
Welcher Weg in der Gesamtrechnung günstiger ist, hängt davon ab wie man nächtigen möchte.
Auf dem Portugues zwischen Lissabon und Porto ist die Herbergsdichte nicht sehr hoch, dafür die Anzahl der 35€-Hotels höher als auf dem Frances.
Gleiches gilt für den Küstenweg des Portugues, auch hier finden sich in der Nebensaison sensationell günstige Hotels, aber weniger Möglichkeiten auf Spendenbasis zu übernachten.
Auf beiden Jakosbwegen finden sich Orte, an denen im Sommer keine Privatzimmer unter 50€ zu bekommen ist, insgesamt würde ich aber sagen dass man auf dem Portugues (auch was das Essen angeht) günstiger weg kommt.
Welcher Weg ist schöner?
Tja…
Der französische Jakobsweg ist abwechslungsreicher. Dort gibt es pittoreske Bergdörfer, faszinierende Landschaften, die einen eher an Südamerika erinnern, spektakuläre Aussichten, man wechselt immer wieder von einer Welt in eine andere.
Da kann der Portugues so leider nicht mithalten.
Der Portugues ist schön (mit Ausnahme der ersten Etappen ab Lissabon, das muss man leider so sagen), er hat tolle Eukalyptuswälder, er hat wirklich schöne Landschaften, er hat wirklich wahnsinnig viel schönes, aber eben etwas gleichförmiger.
Er hat aber auch das Meer. Das ist ein Argument, dem der Frances einfach nichts entgegen setzen kann, denn gerade im Sommer nach einem langen Lauftag die Füße ins Meer stecken oder mit einem Vinho Verde den Wellen zuschauen, das ist einfach unvergleichlich.
Der Portugues hat zwischen Lissabon und Porto auch einiges an Asphalt, aber meistens durch wirklich schöne Landschaft. Ewige, langweilige Kilometer entlang der Nationalstrasse finden sich schon nur auf dem Frances.
Wenn man den gesamten Weg am Lissabon mit dem gesamten Frances ab SJPdP vergleicht muss ich sagen: es gewinnt der Frances den Schönheitswettbewerb. Vor allem weil die ersten paar Etappen ab Lissabon kein Highlight sind (man kann sie aber auch einfach überspringen und in Santarem beginnen).
Vergleicht man nur die letzten 300km gewinnt für mich der Portugues, allein schon wegen der Option auf Meer.
Welcher Weg passt also besser zu mir?
Das sage ich dir gerne, wenn du mir sagst wann, wie lange und warum du laufen willst 🙂
Schau dir am besten mal die Bildergalerien vom Camino Frances und des Camino Portugues an.